Vom Gasthaus „Zum Ritter“ zum

Filmtheater Aktivist

in Rudolstadt und dessen Ende


 

Der Gasthof und Hotel „Zum Ritter“ in Rudolstadt – Ein historischer Ort im Wandel der Zeit

 

Der Gasthof „Zum Ritter“ in Rudolstadt wurde 1799 auf Anordnung von Erbprinz Ludwig-Friedrich II. von Schwarzburg-Rudolstadt in Auftrag gegeben. Das Richtfest fand am 27. September 1799 statt. Johann Christoph Ritter pachtete das Gebäude und etablierte den Gasthof „Zum Ritter“, der schnell zu einem beliebten Treffpunkt für Einheimische und Reisende wurde. Weitere Pächter im Laufe der Zeit waren unter anderem Johann Friedrich Schwartz, C. Kirchner und der Kaufmann J. Michael Lang.

 

Der Gasthof bot nicht nur eine einladende Atmosphäre und geschätzte Küche, sondern auch einen großen Tanzsaal, der zu festlichen Anlässen und gesellschaftlichen Veranstaltungen genutzt wurde. Mit 23 Zimmern und Nebengebäuden, darunter Scheunen, Ställe und ein Schlachthaus, war der Gasthof ein Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in Rudolstadt.

 

1826 übernahm Heinrich Sommer das Gasthaus und erwarb es später für 16.000 Taler. Bis 1907 wechselten mehrfach die Besitzer. 1910 wurde der Gasthof geschlossen und der große Tanzsaal in ein Kino umgebaut. 1919 wurde das Kino auf 556 Plätze erweitert und trug den Namen „Ritter-Lichtspiele“. Nach einer Unterbrechung des Betriebs während des Zweiten Weltkriegs nahm das Kino wieder seinen Betrieb auf und wurde später zum „Filmtheater Aktivist“ umbenannt. Dieser Name blieb über Jahrzehnten untrennbar mit dem Kino verbunden und war für viele Rudolstädter ein fester Bestandteil der lokalen Kultur.

 

Der Kinobetrieb endete 1996, und das Gebäude verfiel im Laufe der Jahre zunehmend. 2003 begann der Abriss des „Filmtheater Aktivist“, und nur wenige Monate später war das historische Gebäude verschwunden. An seiner Stelle entstand die „Galeria Rudolstadt“, ein modernes Einkaufszentrum, das 2007 eröffnet wurde.

 

Das Gasthaus „Zum Ritter“ war jedoch nicht nur für seine Gastfreundschaft und seine Rolle als Kino bekannt, sondern auch für einen besonders historischen Moment: Im Juni 1813 verweilte der berühmte Philosoph Arthur Schopenhauer im Gasthof. Während seines Aufenthalts verfasste er seine Dissertation „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ und hinterließ an einem Fenster seines Zimmers eine lateinische Inschrift, die noch heute an diesen wichtigen Moment seiner geistigen Arbeit erinnert.

 

Im Jahr 2025 wird eine umfassende Film Dokumentation veröffentlicht, die die spannende Geschichte beleuchtet. Diese wird den Wandel des Gebäudes vom Gasthof über das „Filmtheater Aktivist“ bis hin zur Entstehung der „Galeria Rudolstadt“ darstellen und das historische Erbe dieses besonderen Ortes in Rudolstadt bewahren.

 

Wissenswertes:

Anekdote aus dem Kino-Alltag der DDR: Die Sommer-Gans und die Filmkritik

In der DDR war Kino nicht nur ein Ort der Unterhaltung, sondern auch ein kultureller Schauplatz, der immer wieder Anlass zu Diskussionen bot. Eine besonders denkwürdige Episode spielte sich Mitte der 1980er Jahre in Rudolstadt ab, als das lokale Kino in eine unerwartete Sommer-Debatte geriet.

Der Ursprung des Ereignisses war die Vorführung des Films „Die Weihnachtsgans Auguste“ – einer warmherzigen Geschichte über Familienzusammenhalt und die Rettung einer Gans vor dem Braten. Doch an diesem Film war nichts sommerlich, und genau das sorgte für Schlagzeilen. In der Ausgabe der „Neuesten Nachrichten“ vom 21. Juni 1986 schrieb eine Autorin unter dem Pseudonym „Marion“ einen Artikel, in dem sie den Verantwortlichen des Rudolstädter Kinos „Ahnungslosigkeit“ unterstellte. Ihrer Meinung nach war die Programmierung eines Weihnachtsfilms im Hochsommer ein Zeichen dafür, dass die Planer den Bezug zur Realität verloren hatten.

Die Kritik blieb nicht unbeantwortet. Der Leiter der Kreisfilmstelle Rudolstadt, ein gewisser Herr Morsel, griff sofort zur Schreibmaschine, um die Bezirksfilmdirektion in Gera zu kontaktieren. In seinem Brief äußerte er sich verärgert über die Vorwürfe. Er bat seinen Kollegen Raimund, „der dummen Gans“ – damit war offensichtlich „Marion“ gemeint – die wahren Hintergründe der Filmplanung zu erläutern. Man ahnte wohl, dass dieser Artikel bei höherer Stelle zu einer offiziellen Eingabe führen könnte, und wollte den Schaden im Voraus begrenzen.

Das Ganze sorgte in der Stadt für Gesprächsstoff. Während einige Bürger über die Absurdität der Kritik lachten, fanden andere tatsächlich, dass ein Weihnachtsfilm im Sommer deplatziert wirkte. Dennoch war es typisch für die DDR-Zeit, dass selbst kleine kulturelle Entscheidungen eine große politische Dimension annehmen konnten. Schließlich war die Kulturpolitik der DDR eng mit den gesellschaftlichen Zielen des Staates verknüpft, und jede Kritik konnte schnell als Angriff auf die öffentliche Ordnung verstanden werden.

Abseits dieser Diskussionen war der Sommer 1986 in Rudolstadt von weiteren Ereignissen geprägt. In der gleichen Zeitungsausgabe wurde das Engagement der Bürger für die Sauberkeit eines Brunnens gelobt, und die BSG Traktor Uhlstädt feierte ihr 35-jähriges Bestehen mit einem umfangreichen Programm. Doch nichts bewegte die Menschen so sehr wie die Frage, ob die „Weihnachtsgans Auguste“ wirklich den passenden Platz im Spielplan gefunden hatte.

Heute erscheint diese Geschichte fast skurril – ein kleiner Einblick in die besonderen Eigenheiten des Alltagslebens und der Kulturdebatten in der DDR. Ob die „dumme Gans“ Marion jemals die wahre Geschichte hinter der Filmplanung erfuhr, bleibt allerdings offen.

Das Bild zeigt den Bestuhlungsplan des Aktivist-Kinos in Rudolstadt vom 3. August 1959 im Maßstab 1:100.

 

 

Der vermutlich letzte erhaltene Kinosessel aus dem Aktivist-Kino in Rudolstadt wird derzeit restauriert. Dieser besondere Sessel stammt vermutlich aus der Zeit zwischen 1930 und 1940. Im Jahr 2013 wurde der Sessel durch ein Hochwasser leicht beschädigt, als sich die Verleimung dadurch löste. Bereits 2002 erhielt er einen braunen Polsterstoff, da der originale Bezug zerstört war. Im Rahmen der aktuellen Restaurierung bekommt der Sessel nun einen neuen, roten Samtstoffbezug, der seinem historischen Charme gerecht wird.

Kinosessel aus den 1930er Jahren zeichnen sich durch ihre robuste Bauweise und den markanten Stil der damaligen Zeit aus. Die Möbelindustrie dieser Epoche, darunter auch bekannte Hersteller wie Thonet, brachte Kinosessel hervor, die sowohl funktional als auch stilvoll waren. Diese Stühle wurden in vielen Kinosälen eingesetzt und trugen dazu bei, das Kinoerlebnis der damaligen Zeit zu prägen.

Mit der Restaurierung dieses Kinosessels leisten wir einen wertvollen Beitrag zur Bewahrung eines Stücks Filmgeschichte. Die handwerkliche Arbeit, die in die Reparatur und den neuen Bezug fließt, ist eine Hommage an die Tradition und das Kinoerbe.